28 Juni 2006

 

Fortschritte des Häuslebauers

In drei Stunden fährt der Zug nach Tokyo, aber hier doch noch schnell der neueste Stand:
Mehr Holz an die Hütte, mit tausend Nägeln zusammengehämmert:

Ein bißchen Plastikfolie dazu, die den Durchzug zwischen den Innen- und Außenfertigplastikteilen verhindern soll (zur Erinnerung: keinerlei weitere Isolierung!)

Und schon sieht's aus wie ein Haus. Viel fehlt jetzt nicht mehr. Ich werde berichten, wenn ich zurückkomme.


26 Juni 2006

 

Hungrige heilige Hirsche

Am Wochenende war Thomas auf einer Konferenz in Nara, und weil es das letzte gemeinsame WE vor Jakobs und meiner Abreise nach Deutschland (am Donnerstag) war, sind wir einfach mitgefahren. Bzw. geflogen.
Nara ist eine alte Stadt, war im ersten Jahrtausend sogar eine Zeitlang Japans erste Hauptstadt, und rühmt sich heute, die größte Buddhafigur Japans (oder der Welt?) und das größte Holzgebäude der Welt zu haben (das, in dem der Buddha sitzt). Haben wir uns natürlich angeschaut, aber das Photo vom Buddha ist nix geworden. Außerdem gibt es Dutzende wirklich großartiger Tempel und Schreine, von denen die meisten in einem riesigen Park verstreut liegen, der einen beträchtlichen Teil des Stadtgebiets einnimmt. Der ist überhaupt das Schönste an Nara; man kann den ganzen Tag darin verbringen, was vor allem bei den derzeit herrschenden Temperaturen angenehm ist, und hat immer noch nicht alles gesehen. Im Osten geht das Parkgelände nahtlos über in wunderbar naturnah bewaldete Berge.
Und in diesem Park wimmelt es von eigentlich wilden, aber sehr zahmen Hirschen! Sie wurden früher als Boten eines der Shinto-Götter verehrt, wer einen tötete, wurde selbst umgebracht. Nachdem zweiten Weltkrieg gab es nur noch siebzig, inzwischen sind es Hunderte, wenn nicht Tausende, sie sind das Maskottchen der Stadt und streifen in kleinen Rudeln in diesem großen Park frei umher. Überall kann man spezielle Cracker kaufen - zu einem gesalzenen Preis, aber man kauft sie natürlich trotzdem - , die die Viecher einem dann fast aus der Hand reißen. Man verzeiht es ihnen, sie sind einfach so anmutig und hübsch.
Jakob fand's toll, ich auch! Wenn sie gerade nicht gefüttert werden, weiden sie das Gras ab, so daß die Stadt beträchtliche Ausgaben zur Rasenpflege spart. Oder sie rotten sich an den Keksverkaufsstellen zusammen und warten auf den nächsten Käufer (links). Und in den ganz heißen Mittagsstunden liegen sie herum, erholen sich von ihrem anstrengenden Leben in diesem heißen Sommerklima und sehen malerisch aus.






Nachdem wir etliche hundert Yen in die Hirschernährung investiert hatten, wanderten Jakob und ich (Thomas saß in der Konferenz) etliche Kilometer durch diesen prächtigen Park. Zum Glück hatte Jakob sein derzeitiges Lieblingsschäufelchen mit ins Gepäck schmuggeln können, es leistete ihm hervorragende Dienste und war überall dabei.


Außerdem haben wir einen hübschen kleinen botanischen Garten besucht, in allerhand malerischen Cafés gesessen, wunderbare Steinlaternen gesehen, Karpfen gefüttert, die genau so gierig waren wie die Hirsche (das spezielle Futter dafür konnte man auch kaufen, genauso wie das für die heiligen Schildkröten eines anderen Teiches; alles sehr praktisch und geschäftstüchtig organisiert!).
Japan wie aus dem Bilderbuch. Ganz zu schweigen von den Tempeln, von denen ich vor Übersättigung gar keine Bilder mehr gemacht habe.


Außer diesem Park hat Nara aber auch ein wunderbares altes Viertel mit engen Gassen, klassischen alten Holzhäusern und verwinkelten Gärten. Hier waren wir dann am nächsten Tag mit Thomas unterwegs, wobei uns dann aber leider die derzeit herrschende Regenzeit einholte. Und leider waren dann die Kamera-Akkus leer, weshalb ich die schönsten Häuser gar nicht mehr fotografieren konnte.



Und was gab es sonst noch?
Ein Hotelzimmer mit Paradeblick auf Bahnhof und Großbaustelle (mit jeder Menge Bagger ) - das war mindestens so spannend wie die Hirsche




Als Rarität in Japan (gibt es so gut wie nirgends - man muß seinen Müll fast immer mit nach Hause nehmen und dort entsorgen) außerdem öffentliche Abfalleimer - in hochaktuellem Look. Sage niemand, Japan sei nicht im WM-Fieber!

So, und jetzt erst mal tschüß, bis demnächst aus Deutschland!





21 Juni 2006

 

Hundeleben

Wie hier schon erwähnt, haben die Japaner ja ein zwiespältiges Verhältnis zu Hunden. Hier sind zwei typische Vertreter:
Der völlig links liegengelassene Ketten- oder Zwingerhund: anders als in Deutschland hat er kein Recht auf Spaziergang, wie man bei diesem armen Golden Retriever sieht, der als Prestigehund vor dem Firmensitz einer Immobilienfirma lebt (der Käfig wird nur alle paar Tage saubergespritzt, igitt; schönes Prestige).



Der verzärtelte Babyersatz, meist auf dem Arm getragen und zunehmend angezogen, wie man hier sieht. Wozu braucht ein Hund ein Polohemd??

Besitzer, die es so richtig gut meinen mit ihren Hunden, fahren mit ihnen hier her:

Zu einemFreilaufgelände, für das man Eintritt zahlen muß. Denn überall sonst herrscht Leinenpflicht.


 

Jakobs erstes Foto

Jakob hat seit gestern kapiert, wie die Digitalkamera funktioniert, hier ist sein erstes Werk:

Und noch eines. Was will uns der Künstler damit sagen?

Jetzt aber auch noch was von mir.
Die Kinderspielautomatenabteilung im Kaufhaus, wo die Kleinen für die Pachinkospielhallen angefixt werden. Es herrscht ein ohrenbetäubender Lärm, genau wie in den Hallen für die Großen, und es gibt Dutzende stumpfsinnige Automatenspiele.


20 Juni 2006

 

Samurai

Nur in Japan: Das Original-Samurai-Fahrrad zur WM.

 

Leeres Orchester

So könnte man Karaoke auf deutsch übersetzen, kara heißt leer und oke íst eine Abkürzung von okesutora (Orchester); leeres Orchester, weil der Sänger fehlt.
In Japan über Karaoke zu schreiben, ist nicht sonderlich originell - da es aber trotzdem eine kuriose neue Erfahrung war, als wir uns neulich endlich mal getraut haben, werde ich es Euch nicht ersparen.
Wir waren mit einem befreundeten Ehepaar da, das über dreißig Jahre in Deutschland gelebt hat, und einer Japanerin und einer Engländerin.
Karaoke spielt sich hier in extra dafür eingerichteten Etablissements ab, in denen man stundenweise eine sogenannte Karaoke-Box mieten kann, ein abdunkelbares Zimmer mit Platz für 6 - 7 Personen und einer großen Fernseh- und Videoanlage in der Ecke. Man geht hier mit dem engeren Freundeskreis hin, gerne auch nach einem Essen oder einer Party. Oder einfach so, auch alleine oder zu zweit (angeblich sind die schallgedämpften Boxen auch beliebt für ungestörte Aussprachen bei Beziehungsproblemen). Die erste Stunde lang sind Freigetränke im ohnehin schon lächerlich geringen Preis inbegriffen. Es ist mir schleierhaft, wie man damit Gewinn macht, zumal sich fast alle mit Bier (an dem sich Jakob hier festhält und das hier sonst richtig teuer ist) die Kehle schmieren. Aus einer Liste, dicker als das Telefonbuch von Tokyo, sucht man sich die Titel aus, erstaunlich viele englische und sogar ein paar deutsche (Dschingis Kahn und 99 Luftballons), französische und spanische sind dabei.
Etwaige Hemmungen klangen schnell ab, zumal wir die ersten Lieder gemeinsam im Chor schmetterten, wobei Herr Terai auch ohne Mikrophon uns alle übertönte. Er ist ein begeisterter und sehr guter Sänger und übt (in der Karaoke-Box), wann immer er kann.
Praktischerweise kann man bei zu hoher oder zu tiefer Tonlage das Video per Fernbedienung an die eigene Tonlage angleichen, man kann es auch beschleunigen oder abbremsen. Und als Clou wird zum Schluß jedes Videos die beim Singen verbrauchte Kalorienanzahl eingeblendet; das höchste, was wir schafften, war um die zehn - da muß man schon ein paar Dutzend Lieder singen, um allein das erste Freibier wieder abzubauen, ganz zu schweigen von der später über Haustelefon georderten Pizza, die die beste war, die ich bisher in Japan gegessen habe.
Jakob fand das Ganze klasse. Er hatte ein paar von seinen Lieblingsautos dabei, mit denen er im Rhythmus spielte, tanzte manchmal auch ein paar Schritte oder verfolgte das Geschehen im Begleitvideo, wenn es Autos, Flugzeuge oder sonstige Dinge, die er kannte, zu sehen gab.
Als dann die Japanerin zu einem langen, gefühlvollen japanischen Lied anhob, daß sie wirklich sehr gekonnt sang, ließ er alle anderen Aktivitäten ruhen und wandte kein Auge mehr von ihr ab, sie scheint ihn wirklich sehr beeindruckt zu haben. Vor lauter Begeisterung hielt er bis zum Schluß durch, drei Stunden später, als er normalerweise ins Bett geht.

Ein paar Tage später waren wir dann tatsächlich nochmal alleine da, zum Üben und um neue Lieder auszuprobieren, ohne uns zu blamieren. Diesmal war es helllichter Tag (zwölf Uhr mittags am Samstag), und fast alle Boxen waren belegt! Wir blieben dann nur eine Stunde, weil wir uns über die zu singenden Lieder nicht recht einigen konnten und Thomas das Ganze immer blöder fand. Und diese Stunde kostete inclusive Getränke ... 200 Yen, nicht zu fassen! Ich bin fest entschlossen, bald mal wieder hinzugehen, dann aber alleine, dann braucht man sich nicht zu genieren oder bei der Liedauswahl auf andere Geschmäcker Rücksicht zu nehmen. Und ich kann jetzt sehr gut verstehen, warum Karaoke hier so populär ist!

19 Juni 2006

 

Mittagsschlaf

Unser Häuslebauer gegenüber macht jeden Tag genau von zwölf bis eins Mittagspause und dabei oft ein Schläfchen in seinem Auto. Aber die Schuhe müssen draußenbleiben, das ist klar!

 

Schöne bunte Einkaufswelt

Neulich gab mitten bei einem Fußballspiel unser gebraucht geschenkt bekommener, schon sehr bejahrter Fernseher den Geist auf - erst wurde das Spielfeld gelb wie eine Savanne in der Trockenzeit, die Spieler dabei eher bläulich, dann wurde das Ganze schwarzweiß, eine Erinnerung an gute alte Zeiten - und dann gab's gar kein Bild mehr.
Da gestern abend aber Japan spielte, mußte schnell Ersatz her, fand Thomas. Wir waren also bei schönstem Sommerwetter in einem dieser großen Einkaufszentren , die hier 7 Tage die Woche bis neun oder zehn abends geöffnet haben. Und die vor allem am Wochenende so rammelvoll sind, daß man kaum einen Parkplatz kriegt, obwohl die riesigen Parkflächen extra von etlichen uniformierten, blinkstockbewehrten Einweisern möglichst effizient gemanagt werden. Drinnen drängeln sich vorwiegend Familien mit Kindern - erst wird geshoppt, dann gegessen, dann die verschiedenen Spiel- und Amusement-Ecken aufgesucht, und dann ist der Tag rum. Und das Kind hat sich wieder ein bißchen mehr dran gewöhnt, wie so ein Konsumwochenende auszusehen hat, und wird es später genauso machen. Da wünscht man sich doch - zumindest am Sonntag - geschlossene Läden, dann müssen sich die Eltern mal was neues ausdenken.
Vielleicht würden sie dann auch mal einen Spaziergang machen, zum Beispiel an diesen kleinen Fluß, der direkt durch unser Viertel fließt, und wo man nie andere Leute als zügig laufende und streng blickende (das macht man ja schließlich auch nicht zum Spaß!) Hundespaziergänger trifft.



Obwohl es hier Reiher und Enten gibt, Eisvögel, Schlangen, alle möglichen Fische, nette Picknickplätze und man locker einen halben Tag Kinderprogramm zusammenkriegt. Aber irgendwie ist das eine No-go-area für Familien - wozu ja möglicherweise auch beigetragen hat, daß dort vor einigen Wochen mal frühmorgens ein Bär gesichtet wurde, ich geb's zu.

PS: Was wir für einen Fernseher gekauft haben? Einen ganz normalen, mittelgroßen, wie sie mittlerweile gar nicht mehr so leicht zu finden sind, denn es gibt überall nur noch diese blöden Flachbildschirme, bei denen man denkt, man schaut per Computer Fernsehen. Und die Bildqualität ist - außer bei den sehr teuren - nicht so sehr gut. Nee nee, sowas kommt hier nicht ins Haus.

 

Bin jetzt auch Lehrerin

Und zwar gleich doppelt:
Fast jeder Ausländer hier (sogar Franzosen!) endet irgendwann als Englischlehrer, so groß ist der Bedarf. So auch ich, nämlich mit einem alle zwei Wochen stattfindenden Konversationskurs für Grundschüler. Den Lehrplan muß ich praktischerweise nicht selbst ausarbeiten, den gibt es schon, er ist nicht besonders kompliziert und die Kinder geben sich Mühe, es macht Spaß.
Außerdem habe ich seit ein paar Wochen eine "Geigenschülerin", eine Bekannte, die sich mit dem Geigelernen endlich einen Kindheitstraum erfüllt (ihr Mutter meinte damals, sie müsse Pianistin werden). Sie fand keinen Lehrer in Kitakami, fing dann alleine an, mit einem Lehrbuch und einer DVD (sowas machen nur Japaner, oder?). Als sie hörte, daß ich auch Geige spiele, bat sie mich, ihr ein bißchen bei den Grundlagen zu helfen, Haltung, Griff- und Streichtechnik usw. . Daraus hat sich jetzt eine wöchentlicher anderthalbstündiger Unterricht entwickelt, bei dem sie tatsächlich ordentlich Fortschritte macht. Wenn das mein alter Geigenlehrer, Herr Mitylineos selig, wüßte!

 

Zum Wochenende...

... haben wir uns mal wieder die sehr europäischen Genüsse der Patisserie "Boule de neige" gegönnt. Übrigens der einzige Ort, wo man in Kitakami zum Kaffeetrinken draußensitzen kann. Draußen essen gehört nämlich auch zu den Dingen, die hier traditionell nicht üblich sind (Picknick jetzt mal ausgenommen). Auf dieser Terasse hier habe ich deshalb auch noch nie Japaner sitzen sehen.

16 Juni 2006

 

Gier

Blöd, daß man nur zwei Hände hat!

 

Häuslebauer

Seit ein paar Wochen geht es gegenüber wieder rund, an unserem Karree wird das letzte Häuschen gebaut. Für Jakob natürlich ein Fest, ständig gibt es Lastwagen, kleine Bagger und ähnlich attraktives Gerät zu bewundern. Zuerst wurde der alte Gerümpelschuppen leergeräumt und abgerissen und dann in zwei Schritten im Schutz des alten Daches das Fundament gegossen.




Darauf werden Holzbalken geschraubt, die das tragende Holzskelett halten. Dessen Teile werden teilweise vorher zusammengefügt, mit einem Kran an den richtigen Platz gehoben und von freibalancierenden Männern mit großen Hämmern festgeklopft.

Der Herr mit der weißen Mütze (unten Mitte) ist der Haupthäuslebauer, er hat alle diese Häuser überwiegend alleine gebaut (wieviele Millionen Nägel müssen das sein?), ist ein merkwürdiger Kauz, redet extremen Dialekt und ist nur sehr mühsam zum Grüßen zu bewegen. Ein richtiger Schaffer, der auch bei strömendem Regen eisern weiterarbeitet. Die zwei Zimmermänner kommen tageweise dazu, wenn eine Etappe schnell gehen muß.

Hier hat der Kran gleich noch das Holz fürs Dach raufgeschafft, das in den nächsten beiden Tagen mit tausend Klammern und Nägeln festgetackert wurde: Fertig!

Dachpappe und Dachblech drauf und die Schneestopper dran, schon ist das Dach fertig und der arme Mann muß das ganze Holz, das jetzt noch an die Hütte kommt, etliche Zwischenbretter und -balken, nicht mehr im Regen festnageln. So ist jetzt der heutige Stand, und so soll's werden (wird fortgesetzt).

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